Pflichtteilsstrafklausel: Wann liegt ein Verstoß vor?

von Rechtsanwalt Felix Dommermühl, Fachanwalt für Erbrecht

OLG Köln, Beschluss vom 27.09.2018, 2 Wx 314/18

 

Sachverhalt (stark vereinfacht und verkürzt):

Der im Jahr 2017 verstorbene Erblasser [E] hinterließ zwei Kinder, seine vorverstorbene Ehefrau [F] hatte aus erster Ehe zwei weitere Kinder, eines war nach Errichtung eines gemeinsamen Testaments vorverstorben, hatte aber wiederum eine Tochter hinterlassen.

Die Eheleute E und F hatten sich in diesem gemeinschaftlichen Testament wechselseitig zu Alleinerben bestimmt, das Testament enthielt zudem folgende Klausel:

 

„Nach dem Tod des Längstlebenden von uns sollen unsere vier Kinder (…) unser Vermögen  zu gleichen Teilen erben. Sollte eines unserer Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden vom Überlebenden seinen Pflichtteil fordern, so soll es auch nach dem Tod des Überlebenden auf den Pflichtteil beschränkt bleiben.“

 

Nach dem Tod der Ehefrau verlangte eine anwaltlich vertretene Tochter der F aus erster Ehe [I] von E unter Fristsetzung und Klageandrohung die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses.

In einem weiteren Schreiben führte der Anwalt der Tochter wie folgt aus:

 

„Ich gehe davon aus, dass der Wert der Immobilie deutlich höher liegt als DM 250.000.  Aufgrund Ihrer Angaben ergäbe sich ein Pflichtteilsanspruch von rund DM 10.000. Ich möchte Ihnen vorschlagen, dass Sie meiner Mandantin, ohne dass nunmehr formal ein  Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird, ein Betrag von DM 10.000 zahlen und dieser Betrag auf das Erbe meiner Mandantin angerechnet wird. Andernfalls wäre ich Ihnen  dankbar, wenn Sie bis zum 31.03.2001 ein vollständiges schriftliches Nachlassverzeichnis vorlegen nebst Sachverständigengutachten für die Immobilie. Für diesen Fall würde meine Mandantin dann ihr Pflichtteilsrecht in Anspruch nehmen.“

 

E zahlte hierauf 10.000 DM, auf dem Überweisungsträger ist als Verwendungszweck „Pflichtteil I“ angegeben.

 

Mit einem weiteren Testament enterbte E die I, die den Pflichtteil geltend gemacht hatte. Hiergegen wendete sich I und beantragte einen Erbschein mit der Maßgabe, Miterbin zu ¼ zu sein.

Das Nachlassgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen, hiergegen legte I Beschwerde ein.

 

Ohne Erfolg.

Das OLG Köln bestätigt die Entscheidung des Nachlassgerichts, wonach I die Pflichtteilsstrafklausel ausgelöst hat. Demnach liegt „eine Zuwiderhandlung ………nach herrschender Meinung bereits vor, wenn der Pflichtteil bewusst und ernsthaft in Kenntnis der Pflichtteilsstrafklausel geltend gemacht wird.“

 

Das Gericht sah in der Aufforderung zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses und dem weiteren Schreiben des Anwalts eine hinreichende Zuwiderhandlung vor, die die Sanktionswirkung der Pflichtteilsstrafklausel auslöst.

 

 

Fazit:

Eheleute ergänzen ihr gemeinschaftliches Testament gerne um eine Pflichtteilsstrafklausel, die i.d.R. vorsieht, dass das Kind, das im ersten Erbfall den Pflichtteil geltend macht, später, also nach dem Tod des überlebenden Ehegatten, auch nur den Pflichtteil erhalten soll. Weitere Varianten sehen vor, dass mit der Geltendmachung des Pflichtteils weitere Sanktionen, z.B. Vermächtnisse für andere Personen ausgelöst werden.

Die Eheleute möchten mit solchen Regelungen u.a. verhindern, dass ein Kind, das den Pflichtteil geltend macht, besser steht als die Kinder, die im ersten Fall keine Zahlung verlangen.

Zum anderen soll dem mit der Geltendmachung des Pflichtteils grds. einhergehende Liquiditätsverlust für den überlebenden Ehegatten durch die Sanktionsandrohung etwas entgegengesetzt werden.

 

 

Gerne beraten wir Sie hierzu.