Auslegung eines Laientestaments: Neue Entscheidung des OLG Stuttgart

von Rechtsanwalt Felix Dommermühl, Fachanwalt für Erbrecht

OLG Stuttgart Beschluss vom 11.06.2018 8 W 198/16

 

Sachverhalt:

Eine Erblasserin hatte im Rahmen eines notariellen Testaments verfügt, dass Sie von Ihren drei Kindern zu jeweils 1/3 beerbt werden sollte.

In einem privatschriftlichen Testament traf die Erblasserin sechzehn Monate später dann eine neue Regelung mit folgendem Inhalt:

  1. Die Kinder sollten die Erblasserin beerben.
  2. Das Kind K1 erhält folgende Grundstücke: ……….
  3. Das Kind K2 erhält folgende Grundstücke: ……….
  4. Das Kind K3 erhält folgende Grundstücke: ……….
  5. Das Barvermögen geht an die Kinder zu jeweils 1/3.

 

Das Kind K1 ging davon aus, dass alle Kinder die Erblasserin zu 1/3 beerbt hätten und beantragte einen Erbschein mit entsprechendem Inhalt.

Die Kinder K2 und K3 gingen von unterschiedlichen Erbquoten aus. Da die zugewiesenen Grundstücke unterschiedlich viel Wert seien, läge eine Erbeinsetzung jedes Kindes in Höhe der jeweiligen wirtschaftlichen Beteiligung am Nachlass vor.

Das Nachlassgericht gab dem Kind K1 recht, die Kinder K2 und K3 wehrten sich hiergegen……………………………. mit Erfolg.

 

Das OLG Stuttgart geht im Ergebnis davon aus, dass die Erblasserin wusste, dass die jeweils zugewendeten Immobilien unterschiedlich viel wert sind. Eine Dreiteilung wäre ja nur im Hinblick auf das Barvermögen angeordnet worden.

Weder aus dem Aufbau noch aus dem Wortlaut lasse sich eine grundsätzliche Erbeinsetzung zu jeweils 1/3 entnehmen. Wenn die Erblasserin eine wirtschaftliche Gleichbehandlung der Kinder gewollt hätte, läge eine Ausgleichungsverpflichtung oder eine Korrektur über das Barvermögen nahe, eine solche Regelung enthalte das Testament nicht, daher sei von einer bewussten Begünstigung von K2 und K3 auszugehen.

Fazit:

Das Kind K1 wollte natürlich auf eine Erbeinsetzung zu gleichen hinaus, um in einem zweiten Schritt von den Miterben K2 und K3 einen Ausgleich für die Wertvorteile bei den zugewiesenen Grundstücken zu verlangen.

Die Entscheidung des OLG Stuttgart zeigt, wie wichtig es ist, klare Regelungen zu treffen. Oft ist dem/der Testierenden nicht bewusst, welchen Wert einzelne Grundstücke haben. Der Fall kann sich außerdem noch schnell verkomplizieren, wenn z.B. der Erblasser/die Erblasserin größere Vermögenspositionen nicht oder nicht richtig angesprochen hat.

Daher sollte bei Abfassung eines Testaments fachkundiger Rat eingeholt werden. In dem vorliegenden Fall, über den das OLG Stuttgart zu entscheiden hatte, wäre der Streit vermieden worden, wenn die Erblasserin eine unmissverständliche Regelung zu ihren Erben, den Erbquoten und zu der Frage , ob die Kinder K 2 und K3 im Verhältnis zu K1 wirtschaftlich besser stehen sollen, getroffen hätte.

Gerne beraten wir Sie hierzu.