Abschmelzungsregelung im Pflichtteilsrecht: Neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

 

von Rechtsanwalt Felix Dommermühl, Fachanwalt für Erbrecht

BVerfG (4. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 26.11.2018 – 1 BvR 1511/14

 

Sachverhalt (vereinfacht und verkürzt):

Die Witwe und der Sohn des Erblassers (testamentarische Miterben) wurden im Rahmen einer Pflichtteilstreitigkeit verurteilt, einem weiteren Sohn des Erblassers Auskunft zu einer Immobilie zu erteilen, die der Erblasser vor mehr als 10 Jahren schenkweise auf seine Ehefrau übertragen hatte.

 

Hintergrund ist die Regelung des § 2325 III S.3 BGB. Bei einer Schenkung an den Ehegatten läuft, im Gegensatz zu Schenkungen an sonstige Personen, die sog. Abschmelzungsregelung, auf Grund der eine Schenkung nach 10 Jahren keine Berücksichtigung mehr findet, erst mit der Auflösung der Ehe an. Dies ist entweder der Fall bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe (hier beginnt die Frist mit der Rechtskraft des entsprechenden Urteils), oder im Todesfall.

Die Witwe war der Auffassung, dass diese Regelung sie in ihrem Recht aus Art. 3 I i.V.m. Art. 6 I GG verletzt, der ebenfalls zum Erben berufene Sohn sah in der Regelung des § 2325 III S. 3 BGB  eine Verletzung in seinem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG.

 

Das Bundesverfassungsgericht nahm das Anliegen aber nicht zur Entscheidung an. Es ist der Auffassung, dass § 2325 III S.3 BGB weder gegen Art. 6 I GG noch gegen Art. 3 GG verstößt.

 

Es argumentiert, dass die aus einer Ehe folgenden gegenseitigen Ansprüche der Eheleute und die wirtschaftlichen Verflechtungen zur Grundlage einer Differenzierung gemacht werden können.

Der Gesetzgeber durfte im Rahmen seines Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums davon ausgehen, dass es typischerweise einen Unterschied macht, ob der Ehegatte oder eine dritte Person schwenkweise etwas erhält. Im letztgenannten Fall bestehe nicht die dauerhafte Erwartung einer Weiternutzungsmöglichkeit, wie bei einer Schenkung an den Ehegatten. § 2325 III S.3 BGB sorgt nach Auffassung des Gerichts für einen ausgewogenen Interessenausgleich.

 

Fazit:

Leider ist immer wieder festzustellen, dass bei der lebzeitigen Übertragung von Vermögen die pflichtteilsrechtlichen Folgen nicht hinreichend bekannt waren/berücksichtigt wurden.

Bei einer lebzeitigen Schenkung an den Ehegatten läuft die sog. Abschmelzung, die im Pflichtteilsrecht eine große Rolle spielt, eben nicht mit dem Vollzug der Schenkung an, sondern mit der Auflösung der Ehe.

Leider ebenfalls teilweise unbekannt ist der Umstand, dass auch die in der Praxis sehr beliebte Übertragung unter Vorbehalt eines Nießbrauchs unter Pflichtteilsgesichtspunkte ungünstig sein kann.

Sofern eine beabsichtigte lebzeitige Übertragung nicht nur steuerrechtliche, sondern auch erb- und pflichtteilsrechtliche Hintergründe hat, sollte daher unbedingt fachkundiger Rat eingeholt und die Gestaltung auch unter diesen Gesichtspunkten geprüft werden.

 

Gerne beraten wir Sie hierzu.